Für Warteliste anmelden
Klimaschutz spielt in deutschen und europäischen Unternehmen eine immer wichtigere Rolle. Viele große Unternehmen arbeiten an ihrer Nachhaltigkeit – nicht, weil sie es unbedingt wollen, sondern weil sie es müssen. Denn auf EU-Ebene werden schon seit geraumer Zeit gesetzliche Richtlinien für Nachhaltigkeitsberichte geschaffen und schrittweise verschärft. Die Nonfinancial Reporting Directive (NFRD) zieht seit 2014 große Unternehmen zur Rechenschaft und verlangt einen jährlichen Nachhaltigkeitsbericht. In den vergangenen zwei Jahren hat sich nochmal einiges getan: Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist eine deutlich strengere EU-Richtlinie, die noch mehr Daten abverlangt und den Kreis an Unternehmen schrittweise erweitert.
Inhaltsverzeichnis
Was ändert die neue CSRD-Richtlinie?
Was passiert beim Verstoß gegen die Richtlinien?
Wie geht es nach dem Inkrafttreten weiter?
Hinter dem Akronym steckt die Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz CSRD. Die Direktive regelt das Nachhaltigkeitsreporting europäischer Unternehmen und steckt diverse Kriterien ab, die Unternehmen künftig in ihrer nichtfinanziellen Berichterstattung abdecken müssen. Die CSRD ersetzt die bisher geltende nichtfinanzielle Berichtspflicht (Nonfinancial Reporting Directive, kurz NFRD) von 2014.
Im April 2021 lieferte die Europäische Kommission erstmals einen Vorschlag für die neuen EU-Richtlinien, im Juni 2022 einigten sich EU-Parlament und Europäischer Rat auf eine vorläufige Direktive, die im November 2022 endgültig beschlossen wurde. Bis Dezember 2022 hat jedes EU-Mitglied Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen und damit für Unternehmen verpflichtend zu machen. Aber für welche Unternehmen gelten die neuen Regeln zum Nachhaltigkeitsreporting überhaupt?
Nicht jedes Unternehmen in Europa muss nun fortan einen jährlichen Nachhaltigkeitsbericht nach CSRD-Richtlinien vorlegen. Jedoch weitet die neue Direktive den Kreis massiv aus und nimmt noch mehr Unternehmen in die Pflicht. Dazu zählen Unternehmen, die
a) mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen
b) eine Bilanzsumme von über 20 Millionen Euro vorweisen
c) einen Jahresumsatz von über 40 Millionen Euro haben
d) zu börsennotierten KMUs zählen
e) als kleine und nicht-komplexe Kreditinstitute oder firmeneigene Versicherungsunternehmen gelten
Ausgenommen sind Kleinstunternehmen, die weniger als zehn Beschäftigte haben bzw. jährliche Bilanzsummen unter 350.000 Euro und/oder Nettoumsätze unter 700.000 Euro vorweisen. Auch Tochterunternehmen sind ausgeschlossen – sie können auf den jeweiligen Konzernbericht verweisen.
Die CSRD definiert neue verbindliche Standards für Nachhaltigkeitsberichte in vielen Bereichen und unterschiedlichen Sektoren. Neu ist das Konzept der doppelten Materialität bzw. doppelten Wesentlichkeit (auf englisch „double materiality“). Materialität steht für Prozesse und Aktionen, die einen Einfluss auf das Unternehmen haben. Bisher mussten lediglich externe Einflüsse im Bericht genannt werden. Durch die doppelte Wesentlichkeit muss nun auch der Einfluss des Unternehmens auf die Umwelt beschrieben werden. Das bringt zwei Vorteile mit sich: Unternehmen müssen sich verstärkt mit dem persönlichen Impact auf die Außenwelt beschäftigen. Und je transparenter kommuniziert wird, desto attraktiver wirkt die selbstkritische Rechenschaft auf Stakeholder.
Darüber hinaus werden die Kriterien verschärft, welche Aktionen des Unternehmens im Bericht erwähnt werden müssen. Als wesentlicher und damit berichtenswerter Sachverhalt gilt nun alles, was auf den Geschäftserfolg Einfluss hatte - aber auch, wenn das Projekt einen ökologischen oder sozialen Einfluss hatte. Bisher galt, dass alle drei Kriterien erfüllt sein mussten, damit etwas im Nachhaltigkeitsbericht erwähnt werden muss. Das führte zu vergleichsweise wenigen Fällen. Große Unternehmen müssen sich daher mit der CSRD-Richtlinie auf erheblichen Mehraufwand einstellen, da viel mehr Projekte die neuen Kriterien erfüllen. Darüber hinaus müssen sie zukünftig nicht nur die ökologischen, sozialen oder Governance-Faktoren offenlegen , sondern auch die Auswirkungen der Firmenaktivitäten auf die Umwelt, die Menschen und die Wirtschaft abbilden. Doch die Direktive verlangt noch mehr:
- Geschäftsmodell und übergeordnete Strategie beschreiben und Resilienz gegenüber zukünftigen Risiken und Krisen aufzeigen
- Chancen und Bereiche analysieren, wo das Unternehmen nachhaltiger wirken kann
- Beitrag des Unternehmens zum Erreichen der Pariser Klimaziele (globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen) aufzeigen
- Bisherige Klimaschutzmaßnahmen beschreiben und deren Wirkung einordnen
- Mehrstufige Strategie vorlegen, wie künftige Klimarisiken reduziert werden sollen
- Soziale Verantwortung und Umgang mit der Belegschaft darlegen
- Beitrag zur Bekämpfung von Bestechung und Korruption skizzieren
Die Daten sollen fortwährend erhoben werden und zeigen, wie ernsthaft Unternehmen das Pariser Klimaabkommen angehen und ihre Nachhaltigkeitsbemühungen vorantreiben, aber auch künftige Risiken sowie die Erwartung von Stakeholdern managen wollen. Darüber hinaus müssen auch gesellschaftliche Aspekte stärker berücksichtigt werden, etwa Chancengleichheit, demokratische Grundsätze, gleiche und faire Arbeitsbedingungen usw. Dies kann man auch als Positionierung der EU und ihrer Unternehmen gegenüber dem Handelspartner China begreifen, dessen Führung Menschenrechte missachtet und global versucht, eigene Standards festzulegen. Einen großen Fortschritt gibt es auch beim Thema Transparenz. Unternehmen werden noch enger in die Pflicht genommen und müssen bezüglich ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen klar offenlegen, welche Rolle einzelne Stakeholder spielen, wie die einzelnen Klimamaßnahmen umgesetzt und Ziele erreicht werden sollen - und welche Risiken dabei auftreten können.
Für die Datenerhebung werden aller Voraussicht nach die folgenden Standards und Tools zum Einsatz kommen:
Die CSRD setzt auch in Sachen Digitalisierung neue Maßstäbe: Die bereitgestellten Informationen müssen mit digitalen Tags bzw. Schlagworten versehen werden, damit sie maschinenlesbar sind und mittels European Single Access Point (ESAP) eingespeist werden können. Der ESAP ist ein Tool zur Stärkung einer nachhaltigen, digitalen und integrativen Wirtschaft in der Europäischen Union (Weiterführende Infos gibt es hier). Wenn Dein Unternehmen von der neuen CSRD-Richtlinie betroffen ist, solltest Du diesen Punkt besonders im Auge behalten! Multiplye hilft Dir, diese digitale Datenschnittstellen zu bedienen.
Der Zeitplan der EU sieht eine schrittweise Umsetzung vor, sodass Unternehmen ab unterschiedlichen Zeitpunkten betroffen sind:
1. Zum Jahresbeginn 2024 wird die Direktive verpflichtend für Unternehmen, die bereits der NFRD unterliegen. Der erste Bericht muss 2025 vorgelegt werden.
2. Ab 2025 müssen auch große Unternehmen, die vorher nicht der NFRD-Pflicht unterlagen, einen Nachhaltigkeitsbericht nach CSRD-Richtlinien erstellen. Der erste Bericht ist 2026 fällig.
3. 2026 gilt die Direktive auch für börsennotierte KMU (kleine und mittlere Unternehmen), kleine und nicht-komplexe Kreditinstitute sowie firmeneigene Versicherungsunternehmen. Der erste Bericht muss 2027 vorliegen.
Wer als Unternehmen der CSRD-Berichtspflicht unterliegt und sie missachtet, muss mit empfindlichen Strafen rechnen. Diese sind aber noch nicht abschließend definiert, der Bußgeldkatalog wird noch final abgestimmt. Erwartet wird aber in jedem Fall mindestens eine öffentliche Erklärung des Unternehmens, um die Dimensionen und das Strafmaß besser einschätzen zu können. Externe Prüfer sollen die Umsetzung des Nachhaltigkeitsberichts und die Einhaltung der Berichtsstandards bewerten.
Was wird die neue CSRD-Richtlinie verändern? Die Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft und das Nachhaltigkeitsreporting lassen sich noch nicht ganz einschätzen. Dafür ist die Situation momentan noch zu dynamisch.
Wir gehen davon aus, dass die CSRD nicht das Ende der regulatorischen Fahnenstange sein wird. Klimagesetze und die Richtlinien der Rechenschaft werden in Zukunft noch weiter verschärft, um den ehrgeizigen Klimazielen der Europäischen Union ("Fit for 55") auf dem Weg zur Klimaneutralität gerecht zu werden, die selbst wiederum kaum dem 1,5-Grad-Ziel gerecht werden. Bis 2030 werden die Gesetze und Vorgabe noch einmal verschärft werden müssen.
Betroffene Unternehmen müssen sich jetzt und in Zukunft auf mehr zeitlichen und organisatorischen Aufwand und weitere Baustellen beim jährlichen Nachhaltigkeitsbericht einstellen. Insbesondere gehen wir davon aus, dass Unternehmen, die der ausführlichen Berichtspflicht unterliegen, das gleiche Maß auch von ihren Geschäftspartnern verlangen, selbst wenn sie nicht direkt darunter fallen. Denn auch bloße Geschäftspartner werden die eigene Double Materiality beeinflussen - zum Positiven wie zum Negativen. Ein konkretes Beispiel sind Finanzflüsse in Form von Krediten von Banken an Unternehmen. Banken und Versicherer werden offen legen müssen, welchem Risiko ihre Kredite und Versicherungen ausgesetzt sind. Deshalb werden sie gerade auch von KMUs Sicherheiten in Form von Nachhaltigkeitsberichten verlangen. KMus die keinen Nachhaltigkeitsbericht vorweisen, werden Schwierigkeiten bei der Finanzierung oder dem Versicherungsschutz bekommen. Das Klimarisiko wird endlich eingepreist.
Für kleinere Unternehmen und KMUs kann eine gründlich erfüllte CSRD-Berichtspflicht so zur Trumpfkarte werden - vergleichbar mit dem sauber geführten Scheckheft beim Gebrauchtwagenverkauf. Wir erwarten hier, zusammen mit dem zunehmendem öffentlichen Druck, aber auch dem Druck des Wettbewerbs, ein Wettrennen um Nachhaltigkeit, das auch KMUs einbeziehen wird, selbst wenn die EU diese scheinbar erst einmal vom Haken lässt.
Gerade KMUs werden kleine Veränderungen im Markt und erhöhte Anforderungen stärker zu spüren bekommen als große Konzerne, die aus Hauptquartieren in Hauptstädten gemanagt werden und dort in Teams an den verschiedenen Berichtspflichten arbeiten. Einer unserer Kunden, die nachhaltige Kleidermarke Manitober, hat so in Eigenregie einen Transparenzbericht entwickelt, um dem berechtigten gesellschaftlichen Anspruch gerecht zu werden.
Mit Multiplye werden wir den Weg zur Berichtspflicht für unsere Kunden so einfach wie möglich machen.
Quellen
https://www.csr-berichtspflicht.de/csrd
https://www.multiplye.de/post/csrd-die-neue-berichtspflicht-fur-unternehmen
https://www.handelsblatt.com/adv/firmen/nachhaltigkeitsbericht-unternehmen.html
https://www.manitober.de/de/blogs/blog/the-manitober-transparency-report-is-here
https://wearekoan.com/news/2022/2/25/double-materiality-the-backbone-of-the-csrd
Autor:
Johannes Fiegenbaum