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Physikalische Klimarisiken sind direkte Auswirkungen der Klimakrise. Hitze, Brände, Überschwemmungen, Stürme, nebst dem stetig steigenden Meerespiegel durch schmelzende Polkappen. Die Ursache: Der steigende Anteil von CO2 und seinen Äquivalenten in der Atmosphäre.
So litt Deutschland in den letzten Jahren im Frühjahr vermehrt unter einer Dürre. Im Sommer regnet es weniger, dafür sind die Winter sehr nass.
Landwirte sind davon direkt betroffen. Sie ändern ihre Saatauswahl zu Pflanzen, die besser mit Trockenheit und unstetem Regen auskommen. So benötigt Hanf deutlich weniger Wasser als beispielsweise Baumwolle.
Für Menschen die im Büro oder Home Office arbeiten, bedeuten vor allem die Hitzewellen eine Einschränkung der eigenen Leistungsfähigkeit. Nicht jeder wohnt oder arbeitet vollklimatisiert.
Physikalisches Klimarisiko:
- nimmt stetig zu. Klimawirksame Gase halten sich viele Jahre in der Atmosphäre auf. Weitere Risiken und Extremwetterereignisse sind schon jetzt vorprogrammiert.
- äußert sich lokal. Manche Regionen sind stärker betroffen als andere. Insbesondere ärmere Regionen. Wenige profitieren sogar.
- ständig im Wandel. Zwar gibt es leistungsstarke Computer die mit Modellen gute Voraussagen machen können, aber das planetarische Wettersystem ist hochkomplex und ändert sich durch den menschlichen Einfluss so stark und so schnell wie noch nie.
- ist unzureichend vorbereitet. Zwar gibt es schon Maßnahmen in Städten mit mehr Bäumen und Dachbegrünung und Unternehmen stellen sich mit ihren Lieferketten darauf ein. Jedoch geschieht dies alles zu sparsam und zu langsam. Eben weil es zusätzlichen Investitionen erfordert.
Unsere Kunden bei MULTIPLYE haben längst auch direkte Erfahrungen mit physikalischen Klimarisiken machen müssen. Rohstofflieferungen aus Portugal oder Kanada verspäten und verteuern sich kurzfristig. Ersatzbeschaffungen sind deshalb kaum möglich. Das gesamte Geschäft leidet darunter, weil nicht alle Preissteigerungen so kurzfristig an Kunden weitergegeben werden können.
Hitze, Brände, Überschwemmungen und Stürme sind physikalische Klimarisiken. In verschiedenen Wettermodellen und Szenarien werden diese von Hochleistungscomputern geographisch berechnet. Die Szenarien reichen von einer Erderwärmung auf 1,5 Grad bis hin zu einer Erderwärmung um 5 Grad Celsius. Und je wärmer, desto drastischere Verschiebungen drohen. Auch mit non-linearen Konsequenzen und plötzlichen Bruchstellen. Menschen können nur eine bestimmte Zeit bei 35 Grad im Schatten überleben. Ebenso haben Pflanzen wie beispielsweise Mais eine begrenzte Hitzeverträglichkeit. Und dabei verschleiert der globale Durchschnitt von 1,5 Grad oder 5 Grad das, was im Extrem passiert. Lokal gibt es deutlich stärkere Konsequenzen mit deutlichen Zunahmen von Hitzewellen, Waldbränden und Wasserknappheit, während wenige Regionen sogar von stärkerem Regenfall profitieren.
Diese Szenarien auf Basis des sechsten Modells des IPCCs beinhalten sozioökonomische Berechnungen mit Namen wie SSP1-2.6, SSP2-4.5 und SSP5-8.5 neben verschiedenen klimatischen Referenzmodellen und Kozentrationspfaden (zum Beispiel RCP4.5 und RCP8.5) werden global berechnet und dann von 25x25 km auf bis zu 10x10 km lokal herunterskaliert.
Im Fünften Sachstandsbericht (AR5) von 2014 führte der IPCC die repräsentativen Konzentrationspfade (Representative Concentration Pathways, RCPs) ein. RCPs beschreiben verschiedene Niveaus von Treibhausgasen und anderen Faktoren in der Atmosphäre, die in der Zukunft auftreten könnten und die die Menge der von der Erde eingefangenen Sonnenenergie verändern können (bekannt als "Strahlungsantriebe" und gemessen in Watt pro Quadratmeter). Die Klimaforscher haben vier Pfade gewählt, die eine große Bandbreite von Werten abdecken (2,6, 4,5, 6,0 und 8,5 Watt pro Quadratmeter), um eine breite Palette möglicher Zukünfte zu untersuchen und die entsprechende Bandbreite von Erwärmung und Klimaveränderungen zu bewerten.
Die sozioökonomischen Narrative oder "Shared Socioeconomic Pathways" (SSPs) sind das Ergebnis einer separaten Modellierung, bei der untersucht wurde, wie Faktoren wie Bevölkerung, Wirtschaftswachstum, Bildung, Verstädterung und die Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung das Niveau der Treibhausgasemissionen bestimmen. 5 SSPs wurden auf der Grundlage von 5 sozioökonomischen Zukunftsbildern angenommen:
- eine Welt des auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Wachstums und der Gleichheit (SSP1);
- eine "mittelmäßige" Welt, in der die Trends im Großen und Ganzen ihren historischen Mustern folgen (SSP2);
- eine fragmentierte Welt des "wiederauflebenden Nationalismus" (SSP3);
- eine Welt, in der die Ungleichheit ständig zunimmt (SSP4);
- eine Welt mit raschem und ungebremstem Wachstum der Wirtschaftsleistung und des Energieverbrauchs (SSP5).
Die beiden Modellierungsverfahren wurden so konzipiert, dass sie sich gegenseitig ergänzen. Die RCPs legen Pfade für die Treibhausgaskonzentrationen fest und werden als Input für Klimasimulationen verwendet, um das Ausmaß der Erwärmung zu bewerten, das bis zum Ende des Jahrhunderts eintreten könnte. Die SSPs hingegen geben den Rahmen vor, in dem Emissionssenkungen mit Hilfe von integrierten Bewertungsmodellen (d. h. nicht Klimamodellen) erreicht werden können (oder nicht). Letzteres ist wichtig zu verstehen: Jeder SSP kann theoretisch mit mehreren RCPs kohärent sein, solange er innerhalb des unterstrichenen Narrativs plausibel ist.
Aus diesen wissenschaftlichen, geographischen Modellen leiten wir unsere Informationen ab und geben sie personalisiert an unsere Kunden weiter. So sehen diese schon im Voraus, in welcher Region welches Extremwetterereignis droht und können innerhalb ihrer Lieferkette vorsorgen. Das kann bedeuten, das bestimmte Regionen Wertschöpfung und Arbeitsplätze verlieren, worunter die Ärmsten und am wenig qualifizierten am meisten leiden werden. Die soziale Dimension darf auch in einer Betrachtung des physikalischen Klimarisikos daher nicht unterschlagen werden.
Anpassungen sind deshalb dringend erforderlich. Sandsäcke, Notstromaggregate, intelligente Lagerung über unterschiedliche Geographien, widerstandsfähigere Fabriken oder das Pflanzen von Bäumen sind mögliche Vorkehrungen. Dazu haben wir in diesem Artikel einiges aufgeschrieben.
Banken, Versicherungen und auch das Umweltbundesamt machen hierzu schon Stresstests und Studien. Für Unternehmen bleibt bisher nur der Weg, sich selbst in das Thema einzuarbeiten.
Dabei mag es den Anschein machen, dass es sich bei fortschreitender Klimakrise und der zugehörigen physikalischen Entwicklungen, wie Meeresspiegelanstieg, Zunahme der Hitzetage, Häufigkeit von Starkregen, um einfache, lineare Entwicklungen handelt. Der Meeresspiegel steigt langsam aber stetig, Hitzetage gibt es linear häufiger, Starkregen ebenso. Das ist nicht falsch. Doch ebenso nimmt an den Rändern, dem Tail oder Schwanz der Wetter-Normalverteilung die Wahrscheinlichkeit für extreme Ereignisse deutlich zu. Der rot markierte Bereich unter der Kurve im Bild oben. Es handelt sich alsoum ein Ereignis, das mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit eintreten kann, das aber - wenn es eintritt - schwerwiegende Folgen hat.
Überraschenderweise wird die Rolle von Wetterextremen bei der Beschleunigung struktureller Veränderungen immer noch weitgehend übersehen. Die meisten Klimawissenschaftler und Ökonomen konzentrieren sich auf die längerfristigen Auswirkungen des durch die globale Erwärmung verursachten Klimawandels, wobei der Schwerpunkt auf Szenarien liegt, in denen die globale Durchschnittstemperatur nur um 1,5 °C bis 2 °C ansteigt - die im Pariser Klimaabkommen festgelegten Ziele. Und selbst bei Szenarien mit höheren Temperaturen wird davon ausgegangen, dass sich die Auswirkungen - beispielsweise auf den Meeresspiegel und die landwirtschaftliche Produktion - nur allmählich akkumulieren werden, was bedeutet, dass die endgültige Abrechnung erst in einigen Jahrzehnten erfolgen wird.
Eine Studie - "Climate Endgame: Exploring Catastrophic Climate Change Scenarios" - zeigt, dass diese konventionelle Szenarioanalyse die langfristigen Risiken stark unterschätzt, weil sie den extremeren Klimaereignissen (dem "Tail Risk") nicht die Aufmerksamkeit schenkt, die sie verdienen. Der Statistiker Nassim Taleb hat im Zusammenhang mit den Finanzmärkten darauf hingewiesen, dass herkömmliche Modelle die Folgen von Fat-Tail-Ereignissen nur schwer erfassen können, was zu einem gefährlichen blinden Fleck in ihren Prognosen führt.
Höhere Temperaturen würden das auslösen, was die Autoren der Studie als die "vier Reiter" des Klimaendspiels bezeichnen:
- Hunger und Unterernährung
- extremes Wetter
- Konflikte
- neue Vektor-Krankheiten
Man braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie diese Herde apokalyptischer Vorboten ein soziales und politisches Chaos auslösen könnte, vor allem, wenn sie alle zusammen galoppieren - wie es bereits heute mit der globalen Nahrungsmittelkrise, einem neuen Krieg in Europa und der laufenden Pandemie der Fall ist. Schlimmer noch, die Erwähnung des zweiten Reiters deutet darauf hin, dass die unmittelbareren Risiken des Klimawandels immer noch unterschätzt werden. Schließlich sind Wetterextreme auch eine Triebfeder für die anderen drei Reiter und damit wohl die wichtigste.
Wetterkapriolen verursachen Leid, das die Aufmerksamkeit der Gesellschaft weit mehr erregt als abstrakte (wenn auch nicht weniger berechtigte) Warnungen vor langfristigem Unheil. Umfragen zeigen, dass die Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen bei denjenigen größer ist, die selbst extreme Wetterbedingungen erlebt haben. Auch wenn die derzeitige Inflation dazu führt, dass die Menschen weniger begeistert von Maßnahmen sind, die ihren eigenen Finanzen schaden würden, schrumpft durch die zunehmende Zahl von Katastrophen die Minderheit, die der Klimakrise oder der Klimapolitik insgesamt skeptisch gegenübersteht.
Auf diese Weise ist es weitaus wahrscheinlicher, dass die Unwägbarkeiten des Wetters - und nicht die Unwägbarkeiten der langfristigen Klimakrise - in den kürzeren Zeiträumen, die Politik und Wirtschaft beschäftigen, zu Maßnahmen führen. Hoffen wir, dass die immer häufigeren und schmerzhafteren Extremereignisse uns anspornen werden, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Klimapferde im Stall zu halten. Wir werden mit MULTIPLYE unseren Beitrag leisten.
Die TCFD (Task Force on Climate Related Financial Disclosures) wurde 2015 vom G20 Financial Stability Board (FSB) ins Leben gerufen, um Standards für die Veröffentlichung von Klimarisiken zu entwickeln. Durch eine breite Anwendung der Transparenzrichtlinien werden finanzielle Risiken und Chancen im Zusammenhang mit der Klimakrise zu einem selbstverständlichen Bestandteil des Risikomanagements und der strategischen Planungsprozesse von Unternehmen. Dadurch wird das Verständnis von Unternehmen und Investoren für die potenziellen finanziellen Auswirkungen des Übergangs zu einer CO2-neutralen Wirtschaft und für klimabedingte physische Risiken wachsen, Informationen werden entscheidungsrelevanter, und Risiken und Chancen werden genauer bewertet, was eine effizientere Kapitalallokation ermöglicht.
In der EU wurde auf Basis dessen die CSRD entwickelt, die regelt, wie Unternehmen über ihre physikalischen Klimarisiken berichten müssen. Genaueres dazu findet sich in diesem Artikel: Die neue CSRD-Richtlinie: Das musst Du für Dein Unternehmen wissen.
Welche Art von Schäden können durch physikalische Klimarisiken verursacht werden?
Durch physikalische Klimarisiken können Schäden an Gebäuden, Anlagen und anderen Einrichtungen verursacht werden, zum Beispiel durch Überschwemmungen oder Stürme. Auch die Natur und die Tier- und Pflanzenwelt können durch physikalische Klimarisiken beeinträchtigt werden.
Wie werden physikalische Klimarisiken gemessen und bewertet?
Physikalische Klimarisiken werden in der Regel mithilfe von Szenario-Analysen gemessen und bewertet. Dabei werden verschiedene Szenarien für die Entwicklung von Klimabedingungen und deren Auswirkungen zugrunde gelegt. Die Szenariodaten kommen von Modellen des IPCCs beinhalten sozioökonomische Berechnungen mit Namen wie SSP1-2.6, SSP2-4.5 und SSP5-8.5 neben verschiedenen klimatischen Referenzmodellen und Kozentrationspfaden (zum Beispiel RCP4.5 und RCP8.5), werden global berechnet und dann von 25x25 km auf bis zu 10x10 km lokal herunterskaliert.
Wie können Unternehmen sich vor physikalischen Klimarisiken schützen?
Unternehmen können sich vor physikalischen Klimarisiken schützen, indem sie ihre Infrastruktur auf Klimabedingungen anpassen, zum Beispiel durch den Bau von Wasserschutzvorrichtungen oder Hitzeschutzmaßnahmen. Sie können auch Vorkehrungen treffen, um die Folgen von Katastrophen zu minimieren, zum Beispiel durch das Aufstellen von Notfallplänen und das Vorhalten von Notstromaggregaten. Dies gilt ebenso für die gesamte Lieferkette und zugehörige Dienstleister.
Wie werden physikalische Klimarisiken in der Risikobewertung von Unternehmen berücksichtigt?
Physikalische Klimarisiken werden in der Risikobewertung von Unternehmen berücksichtigt, indem man die möglichen Auswirkungen von Klimabedingungen auf das Unternehmen abschätzt und Risikomanagementstrategien entwickelt. Dies kann durch Szenario-Analysen, Risikoassessment-Tools und andere Methoden geschehen. Durch eine breite Anwendung von neuen Transparenzrichtlinien wie der CSRD der EU werden finanzielle Risiken und Chancen im Zusammenhang mit der Klimakrise zu einem selbstverständlichen Bestandteil des Risikomanagements und der strategischen Planungsprozesse von Unternehmen. Dadurch wird das Verständnis von Unternehmen und Investoren für die potenziellen finanziellen Auswirkungen des Übergangs zu einer CO2-neutralen Wirtschaft und für klimabedingte physische Risiken wachsen, Informationen werden entscheidungsrelevanter, und Risiken und Chancen werden genauer bewertet, was eine effizientere Kapitalallokation ermöglicht.
Welche Auswirkungen haben physikalische Klimarisiken auf die Nachhaltigkeit und den finanziellen Erfolg von Unternehmen?
Wenn Unternehmen von physikalischen Klimarisiken betroffen sind, können diese Schäden an Gebäuden, Anlagen und anderen Einrichtungen verursachen, die zu finanziellen Belastungen führen können. Auch die Ausfallzeiten von Anlagen oder die Unterbrechung von Lieferketten können finanzielle Auswirkungen haben, wie schon zu Zeiten der Corona-Pandemie. Unternehmen, die sich auf Klimabedingungen anpassen und sich vor Klimarisiken schützen, können finanzielle Vorteile genießen bzw. vermeiden Nachteile und ihre finanzielle Stabilität verbessern, auch weil Banken dies in der Kreditvergabe zunehmend mit einbeziehen.
Auch für die Nachhaltigkeit von Unternehmen sind physikalische Klimarisiken von Bedeutung, da Schäden an der Umwelt und an der Tier- und Pflanzenwelt langfristige Auswirkungen auf uns alle haben.
Autor:
Johannes Fiegenbaum